Baukastenprinzip!

Relaisnormen als zuverlässige Bausteine für die Produktentwicklung nutzen

Standardisierung allenthalben und wo bleibt der Nutzen? Eine Frage, die gerade dann gestellt wird, wenn technische Regeln als Belastung angesehen werden. Da hilft es den Spieß umzudrehen und offensiv die Frage nach dem Nutzen zu stellen.

Es ist nicht immer gleich offensichtlich, wie vieles durch Standardisierung einfacher wird. In der DIN 476 wurde im Jahr 1922 das von Walter Porstmann entwickelte Seitenverhältnis von 1:√2 als Papierblattformat festgelegt. Ohne unser bewährtes DIN A4-Blatt, heute EN ISO 216, wäre Dokumentation, Administration und Archivierung kaum vorstellbar. Das Beispiel zeigt was Normung zu leisten vermag.

Eine wesentliche Voraussetzung für breite Akzeptanz ist der Grundsatz: Gleiche Beanspruchungen, gleiche Anforderungen sowie gleiche Mess- und Prüfverfahren. Insbesondere für sicherheitsgerichtete Anwendungen (Elektrische und Funktionale Sicherheit) hat dies eine besondere Bedeutung. Halten sich Normensetzer daran, wird die Produktbeurteilung für eine bestimmte Anwendung sehr einfach. Um dies zu erreichen, stehen eine Vielzahl von Querschnittsnormen für die Erstellung von Produktnormen zur Verfügung. Nach IEC Klassifikation sind dies u.a. sogenannte „Basic Safety Standards“ oder auch A-Normen. Diese beschreiben Mess- und Prüfverfahren sowie Bemessungs- und Bewertungsverfahren (wie z. B. die Familien IEC/EN 60068, IEC/EN 60664, IEC/EN 61508) und sind als Bausteine für die Erstellung von Normen zu verwenden. Um nicht die Normen für Systeme, Teilsysteme, Baugruppen und auch Grundbauteile aufzublähen, werden die Querschnittsnormen als Verweis oder Zitat verwendet. Es ist auch möglich, dass einzelne Aspekte der Querschnittsnormen, z. B. verschärft in eine nachgeordnete Norm eingearbeitet werden. Damit wird auch klar, dass eine Zertifizierung nach einer Querschnittsnorm ohne Beachtung der weiteren Anforderungen, die von dem Produkt zu erfüllen sind, eigentlich nicht möglich ist und auch nicht dem Sinn und Zweck von Querschnittsnormen entspricht.

Anmerkung:
Gibt es für ein Produkt keine spezielle Produktnorm, ist die inhaltlich nächstliegende Produktnorm oder eine Produktgruppennorm (wie z. B. IEC/EN 61010-1) anzuwenden.

Quelle/ IEC 1930/10, abgewandelt von: ELESTA GmbH

Wie stellt sich dies bei der Normenfamilie IEC/EN 61810 für die elektromechanischen Elementarrelais dar? Unter Beachtung der oben geschilderten Vorgehensweise wurde für das Grundbauelement Elementarrelais mit dem Teil 1 (IEC/EN 61810 1) die Basis für die Normenfamilie geschaffen, welche die Grundanforderungen für die Typprüfung beinhaltet. Die nachfolgenden untergeordneten Teile behandeln ergänzende Anforderungen, die im Teil 1 nicht enthalten sind.

Elementarrelais mit Quick Connect Pin (Modul) und Kabelkontaktierung an der Fassung (Bild: Schneider Electric)

Untergeordnete Standards:
Der Teil 3 (IEC/EN 61810-3, Nachfolger der EN 50205) behandelt die besonderen Anforderungen an mechanisch zwangsgeführte Kontakte.

Der Teil 4 (IEC/EN 61810-4) ist in Planung. Er behandelt Elementarrelais mit Reed-Kontakten.

Der Teil 10 (wird gerade erstellt) behandelt Hochstrom-Kontaktsysteme (z. B.  1.000 A), welche auch gleichzeitig hohe Spannungen schalten können (z. B. 500 V).

Beigeordnete Standards:
Der Teil 2 (IEC/EN 61810-2) beschreibt ein Bewertungsverfahren zur Beurteilung der statistischen Lebensdauer. Der Teil 2-1 baut darauf auf und beschreibt die für eine standardisierte Erfassung und Auswertung notwendigen Schritte. Damit ist die Grundlage für die Vergleichbarkeit bei der Ermittlung statistischer Daten gegeben.

Der Teil 7 (IEC/EN 61810-7) enthält Mess- und Prüfverfahren sowie Bewertungskriterien.

Die IEC 61810 zeigt, dass übersichtliche Gestaltung von Normenfamilien auf Produktebene möglich ist. Flexibel wird auf veränderte Anforderung reagiert und damit hohe Akzeptanz erzielt.

An dieser Stelle folgender Hinweis:
EN-Normen sind für alle EU-Mitgliedstaaten, Norwegen, Lichtenstein und die Schweiz verbindlich, gelten also im gesamten EWR. Dies ist im weltweiten Handel eine Besonderheit. In den USA ist dies nicht der Normalfall. Die verschiedenen Bundesstaaten haben voneinander unabhängige Anforderungen. Für Elementarrelais hat man deshalb unter dem Patronat von ANSI in Zusammenarbeit mit IEC eine UL 61810-1 erarbeitet, die nach ihrer Verabschiedung für alle Bundesstaaten der USA gilt. Sicher gibt es zur IEC/EN 61810-1 Unterschiede, aber eine Zertifizierung für den Export nach den USA gilt dann aber gleich für alle Bundesstaaten.

Eberhard Kirsch Hengstler GmbH, Jürgen Steinhäuser ELESTA GmbH